Ich sitze konzentriert am Fenster und warte auf eine Eingebung für meinen nächsten Blog. Es ist ganz still – und plötzlich durchbricht das Geräusch bssss pitch, bssss pitch die Stille. Eine Fliege, die immer wieder gegen die Fensterscheibe fliegt, in der Hoffnung den Spalt in die Freiheit zu finden. Ich bin genervt, die blöde Fliege, warum fliegt sie nicht durch das offene Fenster 30 Zentimeter weiter rechts? Das muss doch weh tun, immer wieder ohne Erfolg und unermüdlich mit Schwung gegen die Fensterscheibe zu fliegen. Zudem habe ich den Eindruck, dass ihre Versuche immer schneller und heftiger werden.

Ich sitze da, betrachte das Szenario aus der Entfernung und denke so bei mir: Sind wir Menschen nicht ganz ähnlich? Versuchen wir nicht auch auf wiederkehrende Situationen mit dem gleichen Schema zu reagieren? Wollen wir nicht auch mit dem Kopf durch die Wand, statt nach der Tür zu suchen? Passende Beispiele fallen mir sofort zur Genüge ein.

Ein ums andere Mal

Ein Kunde, dem ich es nicht recht machen kann: Trotzdem stelle ich ihm immer wieder unsere Produktneuheiten vor und offeriere unsere Leistungsbereitschaft. Jedes mal hole ich mir eine demütigende Abfuhr. 

Mitarbeiter, die ich durch mein Verständnis von Fördern und Fordern versuche mit in die neue Arbeitswelt zu nehmen. Aber nach vielen Jahren gelange ich an den Punkt, an dem ich einsehen muss, dass es vergebene Liebesmühe war und ist. Besser wäre es wahrscheinlich für beide Seiten gewesen, wenn ich früher eine konsequente Entscheidung getroffen und mich nach einer besseren Besetzung umgesehen hätte.

Oder Freundschaften, bei denen beide Seiten im tiefsten Inneren wissen, dass die gemeinsamen Themen in der Vergangenheit liegen, die Wege in die Zukunft aber unterschiedliche sind. Und dass ein dankbarer und wertschätzender gegenseitige Abschied die einzig richtige Entscheidung wäre. 

Ich bin mir sicher, ihr könntet meine Liste noch mit eigenen Erfahrungen endlos erweitern.

And the winner is …

Kürzlich durfte ich der Verleihung des Innovationspreises des Landes Nordrhein-Westfalen beiwohnen – und ich musste wieder an die Fliege an der Fensterscheibe denken. Dieses Jahr wurde diese Ehre drei Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen im Medizinbereich zuteil: Frau Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff (Ehrenpreis), Prof. Dr. Brunhilde Wirth (Innovationspreis) und Dr.-Ing. Valentine Gesché (Nachwuchspreis). Durch ihren unermüdlichen und teilweise selbst aufopfernden Forscherdrang können heute schwer erkrankte Menschen gerettet werden. 

In Laudationen über die Preisträgerinnen stach für mich heraus, dass alle drei Damen unglaublich fleißig, kreativ, unnachgiebig, hartnäckig bis hin zu starrsinnig beschrieben wurden, was die Verfolgung ihrer Lösungsansätze betraf. Für Außenstehende und vor dem Durchbruch mag dieses Verhalten ein bisschen wie bei der Fliege anmuten. Denn Erfolg ist eben auch, wenn Glück auf gute Vorbereitung trifft. Und nicht umsonst steckt im Wort „Verfolgung“ auch das Wort „Erfolg“.

Mit Erfolg durch die Wand

Eine künstliche Intelligenz ohne Emotionen und Gefühlen würde wahrscheinlich aus diesen verschiedenen Aspekten schneller und treffsicherer entscheiden, wann es sich lohnt nochmal mit Anlauf gegen die Scheibe zu fliegen. Und wann es besser ist aufzugeben. 

Welche Erfahrungen und Geschichten machen euer Leben zu dieser einzigartigen Komposition an Erlebnissen, nur weil ihr oft mit Anlauf gegen eine Wand geflogen seid?

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